5.1 CeNi2Ge2
CeNi2Ge2 kristallisiert in der tetragonalen ThCr2Si2-Kristallstruktur
[Andress35]
(vgl. Abbildung 5.30) mit den Gitterkonstanten
a = b = 4,152 Å und c = 9,851 Å [Müller-Reisener95].
Es wurden von R. Klemens mehrere Serien dieses Systems mit teils leicht
von der Nennzusammensetzung abweichender Stöchiometrie und mit Cer
von zwei verschiedenen Herstellern (Ames Lab und Johnson-Matthey, beide
USA) hergestellt. Alle Proben wurden außerdem für 120 Stunden
bei 800 °C getempert.
Aktuelle Probleme
CeNi2Ge2 ist ein magnetisch nicht ordnendes und nicht
supraleitendes Kondo-Gitter-System. Der Sommerfeldkoeffizient der spezifischen
Wärme g = 350 mJ / mol K2
charakterisiert diese Verbindung als moderates Schwere-Fermionen-System.
Es wurden jedoch starke Abweichungen vom Verhalten einer schweren Landau-Fermiflüssigkeit
gefunden. Dieses Nicht-Fermiflüssigkeits-Verhalten ist ein Anzeichen
für die Existenz eines nahen quantenkritischen Punktes. An einem solchen
Punkt, dem man z.B. durch Dotierung oder Anlegen von hydrostatischem Druck
in einigen Systemen sehr nahe kommen kann, kommt es für T ®
0 K zu starken Quantenfluktuationen. Die mit der Annäherung an diesen
Punkt verbundene starke räumliche und zeitliche Zunahme dieser Fluktuationen
bei tiefen Temperaturen korrespondiert mit dem Auftreten von Nicht-Fermiflüssigkeits-Verhalten
in einem immer größeren Temperaturbereich (siehe auch Kapitel
2.4). Im folgenden werden zunächst neuere Ergebnisse über
das CeNi2Ge2-System zusammengefaßt. Besonderes
Augenmerk gilt der Konkurrenz von Fermiflüssigkeits- und Nicht-Fermiflüssigkeits-Verhalten
sowie den Auswirkungen der Probenqualität auf das Tieftemperaturverhalten.
Bei Proben, die ein Restwiderstandverhältnis r300
K / r0 zwischen
5 und 20 aufweisen, wird in einem sehr weiten Temperaturbereich (20 mK
< T < 2,5 K, also mehr als zwei Dekaden) und für Magnetfelder
B £ 1 T eine T 3/2-Abhängigkeit
in Dr (T ) = r
(T ) - r0
beobachtet [Steglich96].
Bei Anlegen eines ausreichend hohen Feldes gehorcht der Verlauf des spezifischen
Widerstands jedoch dem für eine Landau-Fermiflüssigkeit zu erwartenden
T 2-Gesetz. In einem B - T-Phasendiagramm
zeigt das untere Grenzfeld Bl der Gültigkeit des
T 2-Gesetzes eine quadratische Abhängigkeit von
der Temperatur Tl, die die Gültigkeit des Gesetzes
bei konstantem Feld nach oben limitiert [Steglich97].
Die Magnetfelder, die zur Unterdrückung des Nicht-Fermiflüssigkeits-Verhaltens
in C (T ) und Dr
(T ) führen, sind auf der Energieskala um eine Größenordnung
kleiner als die kurzlebigen und kurzreichweitigen Fluktuationen, die für
das Auftreten einer Anomalie in c (T
) bei 28 K und eines metamagnetischen Übergangs (feldinduzierter
Ferromagnetismus) bei etwa 42 T [Fukuhara96]
verantwortlich gemacht werden.
Betrachtet man sehr hochwertige Proben mit einem Restwiderstandsverhältnis
in der Gegend von r300 K /
r0 »
200, so ergibt sich ein leicht abweichendes Bild: Zwischen 0,1 K und 1,6
K gehorcht der spezifische Widerstand Dr
(T ) einem T 1,37-Gesetz. Darüberhinaus
zeigt sich bei etwa 0,1 K eine Anomalie im spezifischen Widerstand, die
bereits in einem Feld von 0,1 T unterdrückt werden kann [Steglich97].
Diese Anomalie wurde bereits in zwei Proben beobachtet, die Natur dieser
Anomalie ist aber bisher unverstanden.
Zielsetzung
Um sehr hochwertige Proben für weitere Untersuchungen herstellen zu
können, wurde, wie oben bereits erwähnt, eine Reihe stöchiometrisch
leicht unterschiedlicher Proben hergestellt. Ziel war dabei herauszufinden,
welchen Einfluß die Zusammensetzung auf die Qualität der Proben
hat. Als Maß für die Qualität der Probe gilt die Höhe
des Restwiderstandsverhältnisses. Folgende Punkte waren dabei wichtig
und sollten geklärt werden:
-
In der Probenpräparation wird mit reinem Cer von zwei Herstellern,
Ames Lab und Johnson-Matthey ("Alfa-Products"), gearbeitet. Sollte die
Qualität bzw. Reinheit dieser beiden "Cer-Arten" unterschiedlich sein
(die nominale Reinheit beträgt allerdings in beiden Fällen 4
N), würde sich dies auch in der Qualität der Proben und damit
in den physikalischen Messungen bemerkbar machen.
-
Das Ausgangsmaterial Cer kann im Zuge der Probenherstellung nicht hundertprozentig
von seiner Oxidschicht befreit werden. Auch während der Herstellung
kann es zu zusätzlichen oxidischen Verunreinigungen der Probe kommen,
da Cer ein sehr stabiles Oxid bildet. Es sollte der Frage nachgegangen
werden, mit welchem Überschuß an reinem Cer man arbeiten muß,
um die Verluste durch Oxidation gerade auszugleichen.
-
Es galt herauszufinden, an welcher Stelle im Homogenitätsbereich von
CeNi2Ge2 Proben mit dem geringsten Restwiderstand
zu erwarten sind. Frühere Ergebnisse [Müller-Reisener95]
deuten darauf hin, daß die Probenqualität bei leichtem Cer-Überschuß
gegenüber stöchiometrischen Proben steigt.
-
Die vierte zu klärende Frage war, wie sich das Restwiderstandsverhältnis
bei leichter Variation des Nickel : Germanium-Verhältnisses ändert.
Bei einem idealen Verhältnis von 1 : 1 sollten die Proben den geringsten
Restwiderstand aufweisen. Da sich das System aber in der Nähe eines
quantenkritischen Punktes befindet, könnten Proben mit idealem Stöchiometrieverhältnis
aufgrund der ausgeprägten Quantenfluktuationen auch einen erhöhten
Restwiderstand besitzen.
Ergebnisse
Tabelle 5.1 zeigt eine Übersicht über die von R. Klemens hergestellten
Proben. Der spezifische Widerstand wurde im Bereich 4,2 K < T
< 300 K gemessen. Abbildung 5.1
zeigt den Verlauf des Widerstands am Beispiel von zwei der gemessenen Proben.
Das sich jeweils ergebende Restwiderstandsverhältnis r300
K / r4,2 K kann
als Ersatz für die Bestimmung des Verhältnisses zu T =
0 K angesehen werden, da man lediglich andere Absolutwerte, nicht aber
relativ unterschiedliche Aussagen erhalten sollte. Das Restwiderstandsverhältnis
ist für alle Proben in Abbildung
5.2 aufgetragen.
Probe Nr. |
Stöchiometrie |
verwendete Cer-Art |
30274 |
Ce1,005Ni2Ge2 |
Alfa-Products |
30275 |
CeNi2Ge2 |
Alfa-Products |
30295 |
CeNi2Ge2 |
Ames Lab |
30324 |
CeNi2Ge2 |
Alfa-Products |
30325 |
Ce1,005Ni2Ge2 |
Ames Lab |
30326 |
CeNi2,04Ge1,96 |
Alfa-Products |
30327 |
CeNi2,02Ge1,98 |
Alfa-Products |
30328 |
CeNi2Ge2 |
Alfa-Products |
30329 |
CeNi1,98Ge2,02 |
Alfa-Products |
30330 |
CeNi1,96Ge2,04 |
Alfa-Products |
Tabelle 5.1: Die gemessenen CeNi2Ge2-Proben unterschiedlicher
Stöchiometrie und Cer-Art. Es wurden Serien mit und ohne Cer- Überschuß
und mit Variation des Ni : Ge-Verhältnisses hergestellt.
Aus den Daten lassen sich folgende Schlußfolgerungen ableiten:
-
Proben mit idealem Ni : Ge-Verhältnis haben den geringsten Restwiderstand.
Mit zunehmendem Ni- oder Ge-Überschuß steigt die Fehlbesetzung
von Kristallplätzen. Dadurch häufen sich auch die Gitterdefekte.
Wie erwartet lassen die Unordnung und die hohe Defektrate den Restwiderstand
ansteigen. Bei den stöchiometrischen Proben indes haben die starken
Fluktuationen in der Nähe des quantenkritischen Punktes keine Erhöhung
des Restwiderstands zur Folge.
-
Bei Proben, die mit Cer von Ames Lab hergestellt wurden, bringt ein geringer
Cer-Überschuß von 0,5 % keine signifikante Veränderung
des Restwiderstandsverhältnisses. Die mit Cer der Alfa-Products-Serie
von Johnson-Matthey hergestellten Proben haben jedoch einen deutlich kleineren
Restwiderstand, wenn man ihnen einen geringen Cer-Überschuß
gibt. Daraus folgt, daß oxidische Reste, die vor der Probenpräparation
nicht vollständig entfernt werden können, nur einen unbedeutenden
Einfluß auf die Probenqualität haben. Stattdessen sollte man
bei Proben, die mit Cer der Alfa-Products-Linie hergestellt werden, durch
eine geringe Überschußeinwaage an Cer die vermutlich geringere
Qualität des Ausgangsmaterials ausgleichen.
-
Die qualitativ besten Proben sind im Bereich eines leichten Überschusses
an Cer zu finden. Zwar wurde das bessere Restwiderstandsverhältnis
bei Alpha-Cer-Proben mit Cer-Überschuß eben auf dessen geringere
Qualität zurückgeführt, jedoch bringt ein geringer Netto-Überschuß
an Cer auch keine signifikante Verschlechterung (siehe Ames-Cer). Diese
Schlußfolgerung wird auch durch die Ergebnisse von R. Müller-Reisener
[Müller-Reisener95]
gestützt.
Mit diesem Wissen ist es nun möglich, gezielt hochwertige polykristalline
Proben und auch Rohmaterial für die Zucht von Einkristallen nach dem
Czochralski-Verfahren (siehe Kapitel 3.6.2)
zur Verfügung zu stellen.
Der Tieftemperaturverlauf des spezifischen Widerstands der Probe, die
innerhalb dieser neuen Serie den kleinsten Restwiderstand bei 4,2 K zeigte
(# 30274), wurde von P. Gegenwart bis hinab zu 8 mK gemessen. Sowohl das
Nicht-Fermiflüssigkeits-Verhalten im Widerstand und dessen Magnetfeldabhängigkeit
als auch die Anomalie bei 0,1 K konnten damit bestätigt werden. Die
Probe besitzt ein Restwiderstandsverhältnis von 143 (Abbildung
5.3).